Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Chatbots in DAX-Unternehmen: Notwendigkeit von Unternehmensrichtlinien

04/12/2024

Der Umgang mit Künstlicher Intelligenz und Chatbots in DAX-Unternehmen: Notwendigkeit von Unternehmensrichtlinien

In der heutigen Geschäftswelt sind Künstliche Intelligenz (KI) und Chatbots nicht mehr nur technische Spielereien, sondern haben sich zu essenziellen Werkzeugen entwickelt, die die Strategien großer Unternehmen maßgeblich beeinflussen. Insbesondere die DAX-Unternehmen, die zu den größten und einflussreichsten in Deutschland gehören, stehen vor der Herausforderung, diese Technologien verantwortungsvoll zu integrieren. Eine zentrale Rolle dabei spielen klar definierte Unternehmensrichtlinien, die den Umgang mit KI und Chatbots regeln.

Gemeinsame Strategien und Ansätze

Obwohl jedes DAX-Unternehmen seine eigenen spezifischen Strategien zur Integration von KI hat, zeigen sich auch Gemeinsamkeiten. Agilität und Kundenorientierung sind zentrale Aspekte, die viele Unternehmen verfolgen. So setzt Volkswagen auf agile Produktentwicklung und die systematische Nutzung von Daten zur Optimierung ihrer Produkte und Prozesse. Mercedes-Benz hingegen nutzt KI, um Produktionsdaten zu analysieren und Qualitätsmanagement zu verbessern, wobei die Demokratisierung von Daten für schnelle Entscheidungsfindungen entscheidend ist.

Ein weiterer gemeinsamer Nenner ist der Fokus auf Datenschutz und ethische Standards. Bayer verpflichtet sich beispielsweise zu ethischen Standards und dem Schutz der Privatsphäre, während die Deutsche Telekom eine aktive Diskussion über die Chancen und Risiken der Digitalisierung führt. Diese Unternehmen erkennen, dass die verantwortungsvolle Nutzung von KI nicht nur rechtliche Vorgaben einhalten muss, sondern auch das Vertrauen der Kunden und der Öffentlichkeit erfordert.

Unterschiede in der Implementierung

Trotz dieser Gemeinsamkeiten variieren die spezifischen Ansätze zwischen den Unternehmen. Volkswagen setzt beispielsweise auf ausgegliederte, übergreifende Innovationszentren zur Förderung neuer Technologien und zur Optimierung von Produktionsprozessen, während BASF sich auf die Forschung und Anwendung von KI in einzelnen Unternehmensbereichen konzentriert, um langfristige Nachhaltigkeitsziele zu unterstützen.

Ein weiteres Beispiel ist die Allianz, die KI als Werkzeug zur Verbesserung von Dienstleistungen betrachtet und gleichzeitig den Menschen in den Mittelpunkt der Kundeninteraktion stellt. Im Gegensatz dazu verfolgt BMW einen stark datengetriebenen Ansatz, der über 100 digitale Anwendungen zur Verbesserung der Datenkonsistenz und der Produktionsprozesse umfasst.

Fresenius hingegen fokussiert sich auf die medizinische Versorgung und hat einen ethischen Rahmen für den KI-Einsatz entwickelt, um Risiken zu minimieren. Dies zeigt, dass die unterschiedlichen Branchen, in denen diese Unternehmen tätig sind, auch zu variierenden Ansätzen bei der Integration von KI führen.

Die Notwendigkeit von Unternehmensrichtlinien

In Anbetracht der Komplexität und der potenziellen Risiken, die mit der Nutzung von KI und Chatbots verbunden sind, ist die Entwicklung klarer Unternehmensrichtlinien unerlässlich. Diese Richtlinien müssen nicht nur technische Aspekte berücksichtigen, sondern auch ethische und gesellschaftliche Fragestellungen.

Siemens beispielsweise hat Prinzipien formuliert, um eine verantwortungsvolle Nutzung von KI sicherzustellen und Bias in den entwickelten Systemen zu bekämpfen. Das Unternehmen strebt zudem eine kulturelle Veränderung an, die ein vertrauensvolles Umfeld fördert. Ähnlich legt SAP Wert auf kontinuierliche Verbesserung und die Integration von KI in alle Geschäftsprozesse, um die Effizienz zu steigern.

Deutsche Telekom: House of Digital Responsibility

Als ein hervorragendes Beispiel ist das "House of Digital Responsibility“ der Deutschen Telekom zu nennen. Dieses Konzept verkörpert eine technologie- und werteorientierte Vision, die sich auf die Menschen hinter allen Stakeholder-Gruppen konzentriert: Kunden, Mitarbeiter, Aktionäre, Partner und die Gesellschaft als Ganzes. Die Telekom setzt auf eine menschenzentrierte Technologieentwicklung, bei der der verantwortungsvolle Umgang mit digitalen und analogen Prozessen im Vordergrund steht. Das House of Digital Responsibility basiert auf einem Fundament aus Gesetzen und Regulierungen, die in die täglichen Unternehmensaktivitäten integriert werden, sowie einer ausdrücklichen Verpflichtung zu den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte. Ein Verständnis für kulturelle Unterschiede und gemeinsame Werte bildet die Basis dieses Ansatzes.

Diese Grundprinzipien werden durch die Säulen „Datenschutz und Sicherheit“ sowie „Transparenz und Dialog“ ergänzt, die den Schutz persönlicher Daten und eine offene Kommunikation über die Chancen und Risiken der Digitalisierung gewährleisten. In vier zentralen Bereichen bringt die Telekom ihre digitale Verantwortung zum Ausdruck: Digitale Ethik fördert souveräne, menschenorientierte Technologien, digitale Teilhabe sichert den Zugang aller zur digitalen Gesellschaft, Future Work stellt den Menschen in den Mittelpunkt einer dynamischen Transformation, und Klima- und Ressourcenschutz verpflichtet zur nachhaltigen Nutzung von Ressourcen durch Digitalisierung.

Siemens: Responsible AI

Bei Siemens steht Responsible AI im Fokus, um Künstliche Intelligenz (KI) vertrauenswürdig und ethisch vertretbar zu gestalten. Siemens sieht verantwortungsvolle KI als eine Kombination aus Transparenz, Fairness und Verantwortung, wobei KI zunehmend auch das tägliche Leben beeinflusst - von Sprachassistenten bis zur autonomen Optimierung industrieller Prozesse. Entscheidender Fortschritt in maschinellem Lernen und Datenverfügbarkeit hat neue Möglichkeiten geschaffen, aber auch die Herausforderung hervorgebracht, unvorhersehbare oder sogar diskriminierende Ergebnisse durch die „Black Box“-Struktur moderner KI-Systeme zu vermeiden.

Siemens begegnet diesen Herausforderungen mit sieben Mitigationsprinzipien und setzt gezielt auf erklärbare KI (Explainable AI), um die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen zu fördern und aktive Lernansätze, die menschliches Feedback in den Trainingsprozess integrieren. Das Ziel ist eine vertrauenswürdige KI (Trustworthy AI), die Nutzer aktiv auf Unsicherheiten oder Fehler hinweist, sowie private Aspekte differenziert, die den Datenschutz wahren. Mit Edge-KI wird zusätzlich die Datensicherheit durch dezentrale Datenverarbeitung auf Geräteebene gestärkt.

Verantwortungsvolle KI ist ein interdisziplinärer Prozess, der technische, ethische und kulturelle Aspekte umfasst. Siemens setzt auf Diversität in der Entwicklung, um Verzerrungen zu minimieren, sowie kontinuierliche Weiterbildung, um das Bewusstsein für KI-ethische Standards zu schärfen. Dies fördert eine technologische Kultur, die Vertrauen schafft und gleichzeitig die Effizienz und Anpassungsfähigkeit von KI in industriellen Kontexten verbessert.

BMW Group: Digital Identity

Die Digital Identity der BMW Group ist ein klar definierter Rahmen für die verantwortungsvolle Nutzung digitaler Technologien, die im gesamten Unternehmen zum Einsatz kommen. Dieser Leitfaden stützt sich auf fünf Prinzipien, die die Bedürfnisse der Menschen in den Mittelpunkt stellen und so Vertrauen, Datenschutz und Cybersicherheit fördern. Als zentrales Element der digitalen Kompetenz hat die BMW Group eine digitale Identität geschaffen, die alle digitalen Prozesse und Innovationen auf Nachhaltigkeit, Benutzerfreundlichkeit und Transparenz ausrichtet. Insbesondere geht es darum, Kundenerfahrungen zu verbessern, indem Datenschutz und Cybersecurity von Beginn an („Privacy, Safety, and Security by Design“) integriert werden. Zudem fördert BMW das Prinzip der offenen Zusammenarbeit durch transparente Nutzung digitaler Lösungen und die Unterstützung von Open Source-Initiativen. Schulungen und die gezielte Förderung digitaler Kompetenz für Mitarbeiter sind ebenfalls integraler Bestandteil der Strategie, um eine demokratische und verantwortungsvolle Nutzung digitaler Technologien zu ermöglichen.

Relevanz der Thematik

EY betont in seiner Bewertung, dass Unternehmen beim Einsatz von KI-Systemen, insbesondere in Hinblick auf die kommende EU-KI-Verordnung, proaktiv handeln müssen. Die Verordnung fordert einen umfassenden Schutz der Grundrechte natürlicher Personen im Zusammenhang mit KI und adressiert dabei besonders die sogenannten Hochrisiko-KI-Systeme. Unternehmen sollten daher umgehend eine KI-Governance etablieren, die alle KI-Anwendungsfälle identifiziert, klassifiziert und dokumentiert, um die regulatorischen Anforderungen frühzeitig zu erfüllen. Besonders entscheidend ist die Berücksichtigung der Daten-Governance und des Datenmanagements in der Entwicklungsphase solcher Systeme. Spätere Anpassungen sind häufig mit erheblichen Aufwänden verbunden, vor allem, wenn bereits Urheberrechtsverletzungen oder Qualitätsmängel in der Datenverarbeitung aufgetreten sind. EY empfiehlt daher, die grundlegenden rechtlichen Anforderungen wie Datenschutz, Datenmanagement und IP-Prüfung in bestehende Managementsysteme zu integrieren und frühzeitig Compliance-Strukturen aufzubauen, um rechtliche Risiken zu minimieren und KI zukunftssicher einsetzen zu können.

Neben der Einschätzung von EY hebt auch die Münchener Rück die wachsende Bedeutung eines spezialisierten Versicherungsschutzes für KI-Risiken hervor, ähnlich der Entwicklung des Cyber-Versicherungsmarkts in den 2000er Jahren. Die Münchener Rück sieht in der zunehmenden Verbreitung und Regulierung von KI eine Parallele zu den frühen Tagen der Cyber-Versicherungen: Während die ersten Policen speziell auf bestimmte Verlustszenarien zugeschnitten waren, wird langfristig ein standardisierter Markt für KI-Versicherungen erwartet. Dieser Wandel dürfte durch regulatorische Anforderungen, wie die geplante EU-KI-Verordnung, vorangetrieben werden, die Unternehmen dazu zwingt, KI-bezogene Risiken proaktiv zu steuern und Compliance-Maßnahmen zu integrieren.

Die Münchener Rück weist auf die Möglichkeit einer "Silent AI"-Exposition hin, bei der KI-Risiken durch traditionelle Versicherungsverträge nicht abgedeckt oder schwer kalkulierbar sind. Ähnlich den Cyber-Risiken könnte dies zu spezifischen Ausschlüssen in bestehenden Policen führen und den Bedarf an speziellen KI-Versicherungen erhöhen. Die Münchener Rück rät Unternehmen, ihre KI-Anwendungen und die damit verbundenen Risiken genau zu analysieren und eine passende Governance zu etablieren, um sich in dem sich wandelnden regulatorischen Umfeld rechtzeitig abzusichern und die Haftungsrisiken zu minimieren.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Künstliche Intelligenz und Chatbots für DAX-Unternehmen nicht nur technologische Werkzeuge, sondern strategische Komponenten ihrer Geschäftsmodelle sind. Die Schwerpunkte auf Agilität, Datenschutz, ethischen Standards und Innovationsförderung zeigen, dass diese Unternehmen im digitalen Zeitalter nicht nur wettbewerbsfähig bleiben, sondern auch verantwortungsbewusst agieren wollen.

Die Vielfalt der Ansätze verdeutlicht, dass einheitliche Standards notwendig sind, um die Chancen, die KI bietet, zu maximieren und gleichzeitig die Risiken zu minimieren. Unternehmensrichtlinien spielen dabei eine entscheidende Rolle, indem sie klare Rahmenbedingungen schaffen, die den verantwortungsvollen Einsatz dieser Technologien unterstützen.

Verfasser: Henri Fild