Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – eine kritische Würdigung

06/04/2023

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – eine kritische Würdigung

Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beschäftigt spätestens seit diesem Jahr viele Unternehmen und speziell deren Risikomanagementfunktionen. Was erstmal lang und sperrig klingt hat Christian Grabner einmal analysiert, ob es sein Ziel erreichen wird.

Bevor man über das Gesetz spricht, muss erst geklärt werden, wie es überhaupt heißt. Bislang kamen mir schon viele Begrifflichkeiten vor:

1.       Liefergesetz

2.       Lieferkettengesetz

3.       Lieferpflichtengesetz

Allgemein wird das Gesetz Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz genannt – ein Wort mit immerhin 36 Buchstaben. Das Wort, dass es wahrscheinlich in den Duden schaffen wird, liegt damit auf einem geteilten Platz 2 der längsten Wörter. Zusammen mit „Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung“ liegt es nur hinter „Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung“ mit immerhin 44 Buchstaben. Richtigerweise heißt das Gesetz „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten“ – so viel Zeit muss sein.

Doch wozu dient dieses Gesetz wirklich?

Die Absicht des Gesetzgebers ist grundsätzlich zu unterstützen. Es beabsichtigt die Etablierung einer Übernahme der Verantwortung für die Lieferkette in den Bereichen Menschenrechte und Umweltschutz ab 2024 für eine Unternehmensgröße ab 1.000 Mitarbeitern. Das ist grundsätzlich richtig und nachvollziehbar.

Wird es die erhoffte Besserung von Menschenrechten, Arbeitsbedingungen und des Umweltschutzes bringen?

Dazu wäre es zuerst wichtig, die zentralen Elemente des LkSGs (ich kürze das an der Stelle mal ab 😊) zu kennen und deren Mechanismen zu verstehen:

1. Grundsatzerklärung

Dieses Dokument muss von der Geschäftsleitung verabschiedet werden. Es beinhaltet die priorisierten Anforderungen bzw. Erwartungen an das eigene Unternehmen sowie die Partner in der direkten und indirekten Lieferkette hinsichtlich Menschenrechte und Umweltschutz.

2. Maßnahmen und Berichtswesen

In einem jährlichen Bericht muss der BAFA (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) folgendes berichtet werden:

a. Identifizierte Risiken hinsichtlich Menschenrechten und Umweltschutz

b. Maßnahmen zur Verhinderung, Verringerung oder Minimierung der Risiken

c. Bewertung hinsichtlich Auswirkungen und Wirksamkeit eingeleiteter Maßnahmen

d. Schlussfolgerungen mit Bezug auf die Grundsatzerklärung

Zunächst werden Provider- und Risikomanagement-Funktionen in Unternehmen über die zusätzliche Regulatorik ächzen. Dies ist eine neue gesetzlich-regulatorische Anforderung mit Inhalten, welche im speziellen die Komplexität birgt, dass man auch Verantwortung für Unternehmen übernimmt, mit denen man in keinem direkten Vertragsverhältnis steht.

Eine sinnvolle – aber wohl leider nicht funktionale – Prüfung ist die auf Wirksamkeit der durchgeführten Maßnahmen. Unternehmen müssen darlegen, ob das, was sie gegen das identifizierte Risiko unternommen haben, die erhoffte Wirkung zeigt.

Die Crux liegt dabei aber wie so oft im Detail: es muss nur eine Prüfung unternommen werden, wenn ein Risiko identifiziert wurde. Was bedeutet das?

In der Praxis könnte es dann wie folgt laufen:
Es wird eine Grundsatzerklärung verabschiedet (1), Maßnahmen zu Menschenrechten und Umweltschutz abgeleitet (2) und auf Wirksamkeit geprüft (3). Unternehmen räumen sich ein gegenseitiges Auditrecht (4) ein, auf dessen Umsetzung über den Verweis auf das Proportionalitätsprinzip (Ressourcenknappheit) verzichtet wird. Darüber hinaus wird vertraglich geregelt, dass 1x jährlich eine Risikomeldung durch den Vertragsnehmer beim -geber erfolgt. Die Risikomeldung ist allerdings dauerhaft ohne Risiken, weil es keinen „Verdachtsmoment“ gibt – es schaut ja auch niemand nach.

Der einzige Ausweg aus der Risikoabstinenz? Die zu schaffende Melde- bzw. Beschwerdestelle UND Whistleblowing, wobei die Herausforderungen bei Letzterem nochmal ein ganz anderes Thema sind.

Es wird passieren, was in solchen Fällen immer passiert: neue Mechanismen werden im Provider- und Risikomanagement „eingezogen“, Maßnahmen definiert, Berichtswesen aufgebaut und vielen Seiten „digitales Papier“ veröffentlicht, was man in den beiden Dimensionen Umweltschutz und Menschenrechte leistet. Umso mehr man erzeugt, desto vermeintlich tiefergehender hat man gegen das LkSG geprüft und seine „Sorgfaltspflichten“ wahrgenommen.

Die Absicht ist gut aber für mein Dafürhalten ist es nur ein neuerliches regulatorisches „Stöckchen“ über das Unternehmen springen müssen – im Sinne der Menschen, die unter den Bedingungen leiden, die dieses Gesetz adressiert, bleibt es zu hoffen, dass ich mich irre.

 

Verfasser: Christian Grabner